Der Kauf

Der Kauf

Es braucht einen Motor, vier Räder und muss mich von A nach B bringen – das war bislang meine Definition für ein Auto. Aber es gibt gute Gründe, warum sich das ändern kann.

Seit ich mit meinem Mann zusammen bin, erzählt man mir die Geschichte, er habe schon seit dem zarten Alter von drei Jahren auf der Autobahn aus 3 km Entfernung alle Fahrzeug-Hersteller samt Typenbezeichnung an den Rücklichtern erkennen können. Und tatsächlich hat seine Begeisterung für Autos ein klein wenig auf mich abgefärbt. Nicht, dass mich Hubraum oder Pferdestärken sonderlich interessieren würden und ich technische Informationen einen Tag später sowieso wieder vergessen habe. Aber es sind die Geschichten, die man mit einem Fahrzeug verbindet, die auch bei mir ein Verständnis für den Reiz alter Autos wecken.

Ob bei Familienfesten in Erinnerungen geschwelgt wurde, beim Betrachten der alten Super8-Filme meines Schwiegervaters oder beim Austausch mit anderen Auto-Narren – ein Fahrzeug kam bei meinem Mann immer wieder zur Sprache: der Ford 17M P7b. Wie mit strahlenden Kinderaugen berichtet er noch heute davon, dass er sich auf langen Urlaubsreisen auf der Rückbank zusammenrollte oder wie er zu Hause in der Einfahrt im Auto seines Vaters Autofahren spielte. Und schlussendlich auch davon, wie bitterlich er weinte, als das Familienauto eines Tages nicht mehr zu reparieren war und abgeholt werden musste.

Also wollte ich mich auf die Suche nach einem Ford 17M P7b machen. Ich stellte mich schon darauf ein, dass diese Suche länger dauern würde und wollte in den nächsten fünf Jahren (bis zum 50. Geburtstag meines Mannes) fündig werden. Aber es sollte anders kommen.

Ich sitze vor dem Rechner und surfe im Internet. Nur so zum Spaß klicke ich mich bei mobile.de durch die Website und gebe den Suchbegriff 17M ein. Ein Treffer. Wunderbar, den schaue ich mir doch mal an. Super, er ist rot. Das passt und gefällt mir. Die Fotos sehen schön aus, die Beschreibung ist knapp. Also gleich die ADAC-Kaufberatung aufgerufen. Rost ist das Hauptproblem beim P7b, damit habe ich gerechnet. Unter den Schwachpunkten finde ich aber auch Punkte wie Wagenheberaufnahmen, Novotex-Stirnräder und Fahrwerksbuchsen. Was soll ich denn damit anfangen? Natürlich kann ich den Verkäufer am Telefon danach fragen. Aber was, wenn ich die Antwort noch nicht einmal verstehe? Ich rufe trotzdem an, bekunde mein Interesse an dem Wagen, stelle ein paar unverfängliche Fragen und gebe zu, dass ich keine Ahnung von Autos habe. Da der Verkäufer mich freundlich darauf hinweist, dass es von Vorteil wäre, das Auto mal anzusehen, kümmere ich mich um einen Besuchstermin.

Der 17M steht zweieinhalb Stunden von uns entfernt. Da komme ich ohne den großen Aufwand, die Kinder wegzuorganisieren, nie hin und zurück, ohne dass mein Mann etwas merkt. Außerdem – was habe ich von einem Besichtigungstermin vor Ort, wenn ich als Laie den Wagen sowieso nicht beurteilen kann. Ein Experte muss also her. Der einzig mir bekannte Karosseriebauer empfiehlt mir seinen Oldtimer-Sachverständigen. Aber der müsste ja auch erst anreisen. Da fällt mir ein guter Freund ein, der in der Gegend wohnt. Schnell ist mit ihm ausgemacht, dass er und sein Kumpel sich den 17M am Wochenende ansehen. Ich bin erleichtert.

Während die beiden das Auto in Augenschein nehmen und mir die neuesten Infos zukommen lassen wollen, kann ich nicht telefonieren. Mein Mann ist zu Hause. Also werde ich per SMS auf dem Laufenden gehalten. Das Fazit: das Auto ist in Ordnung, zu dem Preis kann ich nichts falsch machen, ich soll zuschlagen. Am nächsten Tag schaffen wir es endlich unbemerkt zu telefonieren und ich kann anschließend den Verkäufer anrufen. Es gibt keinen Diskussionsbedarf, wir sind uns schnell einig und tags darauf bekomme ich den Kaufvertrag. Unterschrift drunter und fertig. Ich habe das erste Auto meines Lebens gekauft und kann es gar nicht fassen. Innerlich strahle ich wie ein Honigkuchenpferd.

Für mich ist so ein Autokauf Neuland. Wunschkennzeichen reservieren, Versicherung abschließen, zur Zulassungsstelle fahren … selbst das Schilder-Machen ist spannend. Und alles besonders aufregend, weil geheim.

Dann gehen ein paar Wochen ins Land, während der 17M noch friedlich im Rheinland steht. Nach Ostern ist es endlich soweit, der Wagen wird zu meinen Eltern geliefert, wo er bis zur Übergabe bleiben kann. Ich bin aufgeregt und darf mir nichts anmerken lassen. Außer meinen Eltern weiß keiner Bescheid, aber die werden von meiner Freude angesteckt und sind auch ganz gespannt. Und dann rollt er auf seinem Anhänger vor: ein Traum in rot. Und ich bin sofort in ihn verliebt. Als ich die Schlüssel in die Hand gedrückt bekomme, schlägt mein Herz schneller. Beim ersten Probesitzen versinke ich seufzend in den Kissen. Und als der Motor anspringt, klatsche ich vor Begeisterung wild in die Hände.

Nun steht die erste Probefahrt an. Nachdem der Motor ein paar Minuten warm gelaufen ist, rangiere ich das Schiff aus der Einfahrt. Eine ganz ordentliche Arbeit, so ohne Servolenkung. Ich schlage also den Weg zur Tankstelle ein (Bleiersatz habe ich schon besorgt) und stelle mir gleich die entscheidende Frage, wo der Tankdeckel ist. Also halte ich noch einmal an, um nachzusehen, denn ich will mir ja keine Blöße geben. Rechts ist er nicht – links aber auch nicht. Ups. Zuerst überlege ich, meinen Schwiegervater anzurufen. Der hatte ja einen 17M und muss es wissen. Aber zu Zeiten von google finde ich auch so schnell heraus, dass er hinterm Nummernschild versteckt ist. Na also. Auf dem Weg zur Tankstelle spüre ich schon die Blicke, die das Auto auf sich zieht. Dort angekommen, werde ich gleich in ein Gespräch verwickelt. Merke: wer einen Oldtimer fährt, darf nicht kontaktscheu sein.

Dann ist er da, unser 18. Hochzeitstag. Zufällig haben die Kinder frei und wir haben angekündigt, Markus zum Mittagessen abzuholen. Leider sind wir ein bisschen zu früh und drehen noch eine Runde, damit der Überraschungseffekt größer ist. Schon von Weitem sehen wir meinen Mann auf dem Parkplatz stehen. Erst schaut er in eine andere Richtung. Dann sieht er den P7b und guckt interessiert. Erst auf den zweiten Blick erkennt er, dass seine Familie in dem Wagen sitzt. Was in diesem Moment in seinem Kopf vorgeht, weiß ich nicht. Aber als ich ihm mit den Worten „Der ist für Dich“ die Schlüssel überreiche, ist er völlig überwältigt.

Später erfahre ich, dass er zuerst gedacht hat, wir hätten das Auto nur für einen Tag gemietet. Dass es wirklich seiner ist, kann er nicht fassen. Während des gesamten Mittagessens schüttelt er immer wieder ungläubig den Kopf. Auch ich grinse über beide Backen, denn der Plan ist aufgegangen – Überraschung gelungen!